Übung 1189 "Umrittener Wald"

 

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Umrittener Wald


Nicht gar weit von Dören, zwisch Köln und Aachen, liegt Dorf, das führt d Namen Arnoldsweiler, und denselb Namen führt es von eine fromm Sänger, der am Hofe Kaiser Karl d Groß lebte und sein Liebling war. Da forderte einst der große Kaiser von Arnold, sein Sänger, derselbe möge sich ein Lohn erbitten für sein viel und schön Lieder, und der Sänger bat, Karl wolle ih mit ein Stück Wald begaben, so viel, als Arnold werde umreiten können in de Zeit, wo Karl sein Mahl halte. Das ward ihgewähret; Arnold hatte aber schon von Strecke zu Strecke, so weit ein Roß im gestreckten Lauf aushalten konnte, ausgeruhte Rosse, die sein harrten, aufgestellt und damit ein Waldstrecke vo Bürgelwald umstellt, die ein Mann kaum in ein Tag Länge umschritten hätte.

Darauf begann er, als der Kaiser sein Mittagmahl begann, sein Jagen, bezeichnete und bestreute allenden, wo er vorbeisauste, durch Schwerthiebe in die Äste sein Weg mit grün Brüchen von Eichen- und Buchenlaub und kam schon wieder und trat vor de Kaiser, bevor dies noch sein Mahl beendet, dieweil er noch bei Äpfelessen verweilte. Da sprach Karl: "Du hast dir gewißlich ein zu klein Stück erritten, da du so bald wiederkehrest." - Arnold aber antwortete: "Mitnichten, ich umritt ein großes Stück, das ein Mann wohl kaum in Tageslänge umwandeln kann." - Da fiel auf de Sänger ein ernst Blick sein Herrn, welch bei sich dachte, daß i Bürgelwald für Arnold die Blume der Bescheidenheit wohl nicht gewachsen sei, und der Kaiser schwieg. Da nahm aber Arnold das Wort und sprach: "Du zürnest mir, mein hoh kaiserlich Herr! Zürne nicht! Nicht für mi umritt ich dein Bürgelwald. Sieh, all de Dörfern von Dören bis Bredburg und von Jülich bis Bergheim mangelt es an Holz. Für sie habe ich de Wald, de zu schenken du mi angeboten, umritten."

Da freute sich Kaiser Karl über sein Sänger Biederherzigkeit und sagte ih gern die ganze Waldstrecke zu.