Übung 1217 "Die Ballade vom Nachahmungstrieb"

 

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Die Ballade vom Nachahmungstrieb: Ein Kinderspiel




Es ist schon wahr: nichts wirkt so rasch wie !
Der Mensch, und sei er noch so minderjährig,
ist, was die Laster dieser Welt betrifft,
früh bei der Hand und unerhört gelehrig.

Im Februar, ich weiß nicht am wievielten,
geschah's auf irgendeines Jungen Drängen,
daß Kinder, die im spielten,
beschlossen, Naumanns Fritzchen aufzuhängen.

Sie kannten aus der Zeitung die Geschichten,
in denen Mord vorkommt und Polizei.
Und sie beschlossen, Naumann hinzurichten,
weil er, sagten sie, ein sei.

Sie steckten seinen Kopf in eine Schlinge.
Karl war der Pastor, lamentierte viel,
und sagte ihm, wenn er zu schrei'n anfinge,
verdürbe er den anderen das .

Fritz Naumann äußerte, ihm sei nicht bange.
Die andern waren ernst und führten ihn.
Man warf den über die Teppichstange.
Und dann begann man, Fritzchen hochzuziehn

Er sträubte sich. Es war zu spät. Er schwebte.
Dann klemmten sie den Strick am Haken ein.
Fritz zuckte, weil er noch ein bißchen lebte.
Ein kleines zwickte ihn ins Bein.

Er zappelte ganz stumm, und etwas später
verkehrte sich das Kinderspiel in .
Als das die sieben kleinen Übeltäter
erkannten, liefen sie erschrocken fort.

Noch wußte niemand von dem armen Kinde.
Der Hof lag still. Der Himmel war blutrot.
Der kleine Naumann schaukelte im .
Er merkte nichts davon. Denn er war tot.

Frau Witwe Zwickler, die vorüberschlurfte,
lief auf die und erhob Geschrei,
obwohl sie doch dort gar nicht schreien durfte.
Und gegen sechs erschien die Polizei.

Die Mutter fiel in Ohnmacht vor dem Knaben.
Und beide wurden rasch ins Haus gebracht.
Karl, den man festnahm, sagte kalt: "Wir hab'n
es nur wie die gemacht."